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Die Unkompliziertheit des Seins


Früher gab es in Tbilissi auch Trolleybusse und ein Hauptpostamt in der Innenstadt. (Foto: James Berk, CC-BY-NC-ND)

Georgien ist unkompliziert. Besonders wenn man von A nach B kommen möchte. Mit ein paar grundsätzlichen Orientierungskenntnissen ausgestattet, kann sich auch der (wenig erkundungsfreudige) Georgienneuling an den Straßenrand stellen und wartet auf das richtige Gefähr. Dessen Liniennummer hat er optimalerweise bereits vorher von einem ortskundigen Georgier erfahren hat oder entziffert die grobe Route hinter der Windschutzscheibe kurzerhand selber – mit etwas Glück kann man ein „M“-Symbol für irgendeine Metrostation oder das kyrillische „Boksal“ erkennen, was eine erheblich schnellere Entscheidung möglich macht. Entscheidet man sich spontan zum Einstieg, winkt man lässig und vor allem möglich kurz dem immer rasenden Fahrer und dieser stoppt auch meistens sofort – egal wo, egal wie. Mit ein und derselben Chipkarte werden dann alle städtischen Verkehrsmittel bezahlt. Die Marschrutka am Ende der Fahrt, die Metro am Anfang und der örtliche Bus irgendwann oder gar nicht. Das ist nicht nur einfach zu verstehen, es ist idiotensicher, sprich unkompliziert.

Das wurde mir heute wieder ein weiteres Mal bewusst, als ich nach gut drei Stunden die Wohnung meiner Russisch-Lehrerin verließ. Marina, da kann man ruhig etwas stolz darauf sein, unterrichtete schon die niederländische Ehefrau des georgischen Präsidenten in den hier üblichen Sprachen, sprich Georgisch und Russisch.

Seit einer Woche ist sie leider erkrankt und kurzerhand wurde der Unterricht zu ihr nach Hause verlegt. Normalerweise sind wir zwar zwei Schüler und ich bekomme deswegen keinen exklusiven Einzelunterricht, doch allein die Tatsache, dass die Uni auch Kurse für uns fingerabgezählte Studenten veranstaltet ist schon lobenswert. Mit Tee und zwischen selbstgemalten Bildern von und Fotos mit ihrem Sohn sitzend lernen sich die russischen Verben der Bewegung gleich viel entspannter. Entspannt ist hier sowieso jeder. Wenn man sich auf spontane Planänderungen einlässt, dann ist es auf einmal ganz natürlich, dieses Unkompliziertsein.

PS: Das hindert mich nicht daran, bereits morgen so früh aufzustehen, dass mir ein größeres Zeitpolster bleibt um pünktlich zum Termin im benachbarten Mzcheta zu erscheinen – aber die Verabredung ist ja auch rein „beruflich“…

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